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OER-Plattformen bauen – nicht Trojaner!
Lehrerverbände lassen sich von Kultusministern und Schulbuchverlegern hinter die Fichte führen
Willkommen, Herr Lehrer, in der richtigen Politik. Die Lehrerverbände Philologenverband, GEW und VBE haben sich beim Gespräch über den Rahmenvertrag zu § 53 Urheberrechtsgesetz (kurz: Baubeschluss für den „Schultrojaner“) hinter die Fichte führen lassen.
Als das Gespräch (u.a.) mit den Schulbuchverlagen, dem Kultusminister-General Udo Michallik und der VG Wort zuende war, konnte es den Lehrervertretern gar nicht schnell genug gehen zu verkünden, die Trojanergefahr sei gebannt, jetzt beginne die Suche nach Alternativen. Das sollte wohl heißen, so die Botschaft an die Bürger und die Lehrer: Der Trojaner wird gestoppt. Die Programmierung einer Spähsoftware, die Schul- und damit auch Lehrerrechner nach digitalen Kopien filzt, wird beendet.
KMK und Schulbuchverlage bewegen sich keinen Millimeter
Aber, äh, nichts von alledem! Das wäre auch zu schön gewesen. Die Konferenz der Kultusminister (KMK) und die Buchverlage haben sich in Wahrheit keinen Millimeter bewegt. Sie haben einfach das Bestehende zum Neuen umetikettiert.
Man muss nur die Euphorie-Blasen der GEW neben die knochtrockenen Erklärung der KMK legen, dann weiß man, wer Hase und wer Igel ist. Die GEW meint, sie hätte durch ihr Engagement irgendwas verhindert: „2012, so das Ergebnis des heutigen Gesprächs im Sekretariat der Kultusministerkonferenz (KMK), werde keine Schnüffelsoftware eingesetzt.“
Verlage basteln munter an ihrem Schultrojaner
Das ist, mit Verlaub, Quatsch: Die Verlage basteln munter weiter an ihrem Trojaner. Dass er 2012 nicht kommt, hat mit der Komplexität der Aufgabe und verlageinternen Querelen zu tun – aber nichts mit irgendwelchem Lehreraufbegehren. Die „beschriebene 'Scansoftware' wird nach Einschätzung der Vertragspartner bis auf Weiteres, jedenfalls nicht im Jahr 2012, zum Einsatz kommen“ - aber nur, weil sie schlicht noch nicht fertig ist. Die Botschaft der KMK-Erklärung heißt nicht, „wir haben uns getäuscht“, nein, dort steht: „Der Vertrag ist gut! Der Trojaner wird gebaut! (Es daurt nur ein bisschen.) Das Urheberrecht ist wichtig!“
Kein Wort zum intelligenten Lernen mit 2.0-Bausteinen
Das bemerkenswerte an der KMK-Erklärung ist folgendes: Es steht dort mit keinem Wort erwähnt, dass Lehrer intelligenten Unterricht mit digitalen Bits aus dem Netz machen sollen! Die KMK predigt Dienst nach Vorschrift – der Betrieb läuft halt (schlecht) weiter, so heißt die subkutane Mitteilung.
Man muss sich nur beiden Alternativen zum Trohjaner anschauen, um die ganze Blauäuigigkeit der Lehrerverbände zu entlarven: Es heißt bei der GEW, alle Beteiligten arbeiteten an Alternativen. Aha, was sind die Alternativen? Derer gibt es zwei: „open educational resources“, also frei zugängliche Lernmaterialien im Netz – und mehr Geld.
Weiter "best of schoolbook" zusammenkopieren
Das hieße also: Statt des Trojaners wird der kollaborative Markt für „open educational resources“ vorangetrieben. Denn tatsächlich steht die Lehrer2.0-Crowd um @herrlarbig in den Startlöchern, um die CC- und OER-Plattformen mit intelligenten Lernbaustein zu füllen. Und es gibt mehr Geld für Lehrer1.0, um sich weiter seinen Unterricht als ein „best of schoolbook“ zusammenzukopieren.
Allein, diese beiden Aufgaben haben weder die Kultusminister noch, pardon, die hypermoderne GEW auf dem Schirm. Oder gibt es etwa eine Lernen2.0-Abteilung unter den organisierten Lehrern? Oder kennt General Michallik schon jene Abteilungen seiner Minister, die OER denken? Und die andere Alternative, mehr Geld, ist billig zu haben – als Forderung. Die GEW hat im übrigen noch nie etwas anderes gefordert.
Das Lernen der Zukunft, kollaboratives, crowd-basiertes forschendes Lernen, das zugleich sehr individuell ist, steht vor der Tür. Nur: Hinter der Tür steht nicht die GEW, nicht 600.000 Lehrer, und schon gar nicht die KMK. Sondern eine ziemlich intelligente, aber auch ziemlich kleine Gruppe von Twitter-Teachern. Sie warten auf Couragierung und konkrete logistische Hilfe, etwa durch eine Crowd-Source-Plattform, aufgebaut durch die KMK. Aber das Gegenteil ist der Fall: Nicht die OER-Plattform wird gebaut, sondern, mit Verlaub ein trojanisches Pferd, das so hölzern ist wie seine mythologischer Vorfahr. Das ist das durchaus ernüchternde Ergebnis des Gesprächs am 13.12.11.
Zu sehen hier, in der Dokumentation: Erklärung der Kulktusminister nach dem Schulbuchgespräch am 13. Dezember 2012:
Kultusministerkonferenz: Handlungsfähigkeit der Schulen, Datenschutz und Schutz des geistigen Eigentums oberstes Gebot
In Berlin haben sich heute Vertreterinnen und Vertreter der Länder, der Lehrerverbände und der Rechteinhaber erneut mit dem „Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen gem. § 53 UrhG“ befasst. Die Gesprächspartner sind sich einig, dass mit dem Vertrag grundsätzlich ein Rechtsrahmen geschaffen ist, der die Schulen handlungsfähig macht, Rechtssicherheit schafft und der zugleich die Rechte der Verlage und Autoren schützt.
Der Gesamtvertrag regelt Möglichkeiten von Vervielfältigungen für den Unterrichts- und Prüfungsgebrauch aus urheberrechtlich geschützten Werken. Er schafft eine rechtliche Grundlage dafür, dass Schulen in bestimmtem Umfang auf urheberrechtlich geschützte Inhalte zugreifen und diese ohne bürokratischen Aufwand für die Schule nutzen können. Ohne diesen Vertrag müsste jede Schule im Hinblick auf Unterrichtswerke zunächst bei dem betroffenen Verlag die Erlaubnis zum Kopieren einholen und dann einzeln mit dem Schulbuchverlag abrechnen. Dieses Verfahren beträfe rund 43.000 Schulen, 90 Verlage und 40.000 Verlagsprodukte.
Die in § 6 Absatz 4 des Vertrages beschriebene „Scansoftware“ wird nach Einschätzung der Vertragspartner bis auf Weiteres, jedenfalls nicht im Jahr 2012, zum Einsatz kommen. Die Vertragspartner verabredeten, im ersten Quartal 2012 ein weiteres Gespräch zu führen, um mögliche Alternativen zu diskutieren. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass das geistige Eigentum zu schützen sei und die Rechte der Verlage und Autoren, vor allem auch der beteiligten Lehrkräfte, gewahrt werden müssen. Die Lehrerverbände werden weiter in die Gespräche einbezogen.
Lernen2.0 - mehr ist weniger Demokratie
donnerstag findet im kölner betahaus ein speedlab2.0 statt. begleitet von dradio wissen.
eine der olympischen fragen, die dort gestellt wird, lautet: wird lernen2.0 die demokratie höher, schneller, weiter machen?
während ich auf meinem werkstatt-blog ciffis mobiles bureau noch halbwegs optimistische thesen verkünde, muss ich als pisaversteher nach den erlebnissen und debatten der letzten tage skeptischer werden: meines erachtens besteht eine nicht geringe gefahr,
- dass web2.0 zunächst einmal die digtale spaltung der gesellschaft erheblich vertieft
- dazu trägt vor allem auch die twitter-blogger-insider-community bei, weil sie sich exlusiv bis arrogant gibt, weil sie fundamentale pädagogische prinzipien nicht beachtet - und weil sie praktisch unkritisierbar ist
- auf mittlere sicht kann es sogar zu einer re-analphabetisierung bestimmter teile der gesellschaft kommen.
Woran liegt das?
niemand kann bestreiten, welch ungeheures emanzipatives potenzial in den individuell-kollaborativen tools des web2.0 steckt. eigentlich. morgen. wenn, endlich, alle begreifen!
nur: die 2.0szene schottet sich in einem spanische-dörfer-kauderwelsch von der öffentlichkeit ab (siehe z.b. die gute, aber teflonisierte lindnersche sieben-sigel-liste) verstehen kann man das nur, wenn man ein steve jobs-abo hat und seine sozialen kontakte bei facebook und twitter verwaltet.
auch das #speedlab2 wird von den superdupertwitterblogos @cervus bis @440_hz bestallt. manche von ihnen geben als berufsbezeichnung visionär an. oder bildungsberater. oder bildungsaktivist. oder gleich: blogger. (wo ist eigentlich das personalbüro und die lohnbuchhaltung im netz?)
wer sich freilich wagt, schüchtern einwände gegen den akronymisierten elite-sprech der bloggosphere vorzubringen, wird sofort auf die gutenberg-müllhalde der ewiggestrigen verbannt.
was die elektro-szene aber nicht versteht - und vor allem den pädagogen unter ihnen muss man das hart ankreiden -: es gibt nicht nur reaktionäre internetausdrucker und volltrottel im ministeramt, die fragen: "wann ist das internet voll?"
es gibt schülerInnen einer extrem heterogenen provinienz, die auf eine basale alphabetisierung dringend angewiesen sind. die grauenhaften pisaergebnisse lehren uns, dass teilhabe heute in familie, kindergarten und grundschule entsteht - oder gar nicht.
die elementare kulturtechnik dafür ist freilich nicht das 64GB iPad, sondern der schreiblernFÜLLER und ein weicher bleistift. solcherlei schreibwerkzeuge freilich erwähnen meine futuristischen freunde nicht, ohne beiläufig zu boden zu spucken: bäh, gutenberg!
bildschirme haben, das ist eine der - unsagbaren, verbotenen, tabuisierten - thesen, bei kleinkindern und in kindergärten NICHTS verloren. iPad meets kleinkind = desaster. (siehe z.B gelernter in der faz)
jedenfalls habe ich noch kein einziges vernünftiges argument gehört, wie man mit bildschirmen funktionale analphabeten risikominimiert - außer durch ballerei-sedierung.
ich werde das morgen sagen.
stellt die spucknäpfe bereit.
mehr demokratie2.0 ist, sorry, weniger demokratie: abstrakter, fluider, unverbindlicher - ohne anerkennung und selbstwirksamkeit. holy shit2.0.
Lernen im 21. Jahrhundert bei Klett Leipzig
Zum Schulbuch sind wir bei der gestrigen (5. November) Diskussion über das Lernen im 21. Jahrhundert gar nicht mehr gekommen. Die Debatte ging schon vorher los, sie war kritisch und konstruktiv und endete auf den Inseln des Gelingens. Die Materialien liegen auf dem LaborBlog von pisaversteherhttp://robertcaesar.wordpress.com/
"Wer hat ihre Seelen geraubt?"
Michael Wesch, der Anthropologe des Web2.0, über das neue Lernen und welche Rolle der Computer dabei spielt
INTERVIEW SEBASTIAN HIRSCH/@cervus
Michael Wesch, sind Computer die Zukunft des Lernens?
Michael Wesch: Ja, ich glaube sogar, dass wir sie irgendwannn direkt an den Kopf anschließen. Kleine Memorysticks, die für uns die Fakten verwalten.
Das ist jetzt nicht ihr Ernst.
Klar nicht. Wir beginnen eben erst zu verstehen, was Computer alles besser können. Wir sollten also aufhören, uns mit dem Zeug aufzuhalten, was die einfach besser drauf haben.
Was ist das?
Zum Beispiel vergeuden wir so viel Zeit damit, unseren Studenten zum Auswendiglernen zu bringen. Und hinterher fragen wir diese Informationen in Examen wieder ab. Das muss doch aufhören!
Aber Fakten sind wichtig.
Ja, klar, man braucht sie. Nur sollten Studenten keine Fakten büffeln, sondern bedeutungsvolle Zusammenhänge herstellen können. Sie sollen Gesetzmäßigkeiten und Strukturen erkennen.
Das Erkennen und Lesen von Zusammenhängen ist die einzigartige Fähigkeit des Menschen. Sie zu stärken, ist die Aufgabe von Bildung.
Wie machen Sie das?
Wir versuchen Studenten nicht als Informationsapparate zu benutzen. Ihre Fragen und ihre Sicht auf die Dinge sind wichtiger als der Vortrag des Dozenten.
Ist das eine Art Anti-Lehre?
Man könnte es „Lehren als eine subversive Tätigkeit“ nennen. Das ist nicht von mir, sondern der Titel eines Buchs von Neil Postman und Charles Weingartner. Ich lese es zweimal im Jahr, um mir neue Energie zu holen für die Frage, worum es an der Uni eigentlich geht.
Im Klappentext steht, das Buch sei ein Anschlag auf abgelaufene Lehrmethoden. Und ein Vorschlag, wie man Bildung für die Welt von heute wieder bedeutsam machen kann.
Und die haben das vor 40 Jahren geschrieben! Die haben schon damals gewusst, dass es gar keine neue Idee ist, wie man anders lernt. Wir es können es um uns herum schon sehen.
Was passiert da draußen?
Es ist faszinierend, wie viele informelle Lerngelegenheiten rund um echte Probleme im wahren Leben stattfinden. Wir sollten keine Zeit im Seminarraum vergeuden, wenn wir die Chance haben, echte Probleme des Lebens zu thematisieren.
Ein Problem provoziert uns, es motiviert und zwingt uns, anders zu denken, neues Wissen zu testen, andere Wege zu gehen. In den Institutionen von Bildung und Wissen finden sie das kaum.
Warum hat sich an den Unis und Schulen im Umgang mit Wissen so wenig verändert?
Ein einfaches Umschalten ist nicht möglich, weil das System des Lernens große Trägheitsmomente in sich trägt. Das beginnt bei den physikalischen Strukturen. Die Lehrgebäude der Hochschulen und die Klassenzimmer diktieren uns, wie wir Sachen lehren und lernen. Dazu kommt die Bürokratie. Dozenten haben bestimmte Aufgaben, sie müssen Lehrpläne befolgen. Es ist nicht einfach, das alles neu zu organisieren. Am schwierigsten aber ist es, unsere Vorstellung, wie Lernen abläuft, zu verändern.
Wo ist das Problem?
Es ist diese grundlegende und falsche Vorstellung von Lehrern: Wie kriege ich mein Wissen in Deinen Kopf? Ein Konzept, das Totenstille verursachen kann.
Das müssen sie erklären.
Nichts nimmt mir so den Wind aus den Segeln wie der erste Vorlesungstag. Man kommt in den vollen Hörsaal. Man kann sein eigenes Wort kaum verstehen, weil alle aufgeregt miteinander reden und voller Energie sind. Aber plötzlich hat man absolutes Schweigen. In dem Moment, an dem ich ans Pult trete, ist es absolut still.
Das ist doch beeindruckend.
Ja, aber ich frage mich in dem Moment auch:
Was hat ihre Seelen geraubt? Was diszipliniert sie derart, dass ein kleines Männlein wie ich sie verstummen lässt? Wer hat ihnen das angetan?
Ich sehne mich nach dem Tag, an dem sie das nicht mehr zulassen, dass sie verwirrt sind, wenn ich ans Pult trete. Das wäre großartig. Aber wir sind noch nicht soweit.
Was ist daran so falsch, wenn Studenten über ihr Wissen staunen?
Wissen zu vermitteln – das ist eine ziemlich niedrige und primitive Version von dem, was Lernen eigentlich sein könnte. Die wirklich großen Momente des Lernens haben nichts mit Memorieren, sondern mit Transformieren zu tun.
Aha.
Jeder aktive Prozess des Lernens geht mit der Zerstörung von Vorstellungen einher.
Wenn du wirklich etwas neues lernst, dann musst du die Mauern deiner bisherigen Gedankengebäude einreißen. Alles, von dem du bisher dachtest, es sei richtig.
Das alles muss in ein neues Modell übersetzt werden.
Wie geht das? Konfrontieren Sie ihre Studenten mit neuen Technologien – oder setzen sie unter die Urmenschen in Papau-Neuguinea?
Ja, das würde ich am liebsten machen! Aber im Ernst, Transformation ist eine gefährliche Sache. Und das macht es nicht gerade einfach, sie ins Seminar zu bringen.
Warum gefährlich?
Ich habe die Angst, die Vorstellung der Studenten zerstrümmert zu haben – und das Seminar ist zu ende. Wir haben ja nur 15 Wochen pro Semester.
Gibt es keinen Weg, die 15 Wochen-Frist auszutricksen?
Man kann es versuchen, ja, zum Beispiel mit Technologie. Sie hilft uns, Situationen zu kreieren, in denen informelles Lernen stattfindet – das es überall gibt und das keinerlei Grenzen kennt. Das ist das gute an informellen Lernsituationen und Technologien. Superspannend, nur weit außerhalb unserer eingeübten Tagesabläufe und Lernroutinen. Aber wir werden nunmal dafür bezahlt, im herkömmlichen Apparat zu arbeiten – und nicht in den informellen Strukturen außerhalb des Systems.
Technik ist was feines – aber was ändern sie innerhalb des Systems?
Wir experimentieren gerade damit, wie sich Studenten untereinander die Noten geben. Das klingt für viele Professorenkollegen sehr negativ. Ich finde, wir mobilisieren die Schwarmintelligenz fürs Notengeben.
Was meinen Sie damit?
Sich gegenseitig zu benoten, hat viele positive Effekte.
Zum Beispiel?
Sie müssen die Arbeit des anderen wertschätzen. Die Studenten teilen sich viel mehr mit, sie arbeiten härter und genauer. Denn sie müssen, wenn sie eine Note geben sollen, über viele Sachen nachdenken – genau über die Sachen, von denen wir wollen, dass sie sie reflektieren. #
Und das funktioniert? Sind die Noten denn gerecht?
26 von 200 Kommilitonen fühlten sich nicht korrekt benotet. Die habe ich nachkorrigiert, drei habe ich verbessert. Aber um die Ziffer der Note geht es gar nicht. Wichtig waren die neuen Lernprozesse, die plötzlich in Gang gesetzt wurden – und die Fehler.
Was ist schief gelaufen?
Es wurden Noten mit ganz falschen Begründungen vergeben. Daraus haben wir paradoxerweise am meisten gelernt.
Wie das?
Die Studenten haben gemerkt, das sie jeden im Seminar auf ein bestimmtes Niveau bringen müssen.
Sonst kapiert der andere Student ihre eigene Arbeit womöglich nicht – und gibt ihnen möglicherweise eine schlechte Note. Jeder muss also in die Lage versetzt werden, den Essay eines Kommilitonen einschätzen und bewerten zu können.
Warum ist ihnen das so wichtig?
Wir versuchen, dass keiner hinten runter fällt, sondern in die Welt hinausgeht als einer, der etwas kann. Das ist ein anderer Versuch, in der Klasse so etwas wie Gesellschaft, wie Realität herzustellen.
Ist das Seminar sonst nicht real?
Unter Uni-Dozenten gibt es so einen Spruch von der „echten“ Welt. Dass die überall ist – bloß eben nicht im Seminarraum. Das ist doch bizarr! Und ein perfektes Beispiel dafür, wie sehr wir uns in unseren Lehrgebäuden vom wahren Leben da draußen abgekoppelt haben.
Kann man an Redenwendungen die Fehler der Uni festmachen?
Ja, nehmen sie ein anderes Klischee. Dozenten oder Lehrer sagen gerne, sie gehen jetzt in ihre Klasse. Gerade so als gehörte sie ihnen, als wäre es ihr privates Eigentum.
Was ist daran schlimm?
Das Seminar ist überhaupt nicht privat, ganz im Gegenteil. Wir haben im Seminar oder im Klassenzimmer das ganz besondere eines gemeinsamen geteilten Raums. Das ist ein Segen und etwas Großartiges. Wir sollten wahrnehmen, welche Kreativität in diesem Raum steckt – und sollten nicht die Tür zumachen und denen jetzt irgendwelche Inhalte verfüttern.
Wie kann man das tun?
Eine meiner Kolleginnen sagt sich: 'Okay, da gibt es einen bestimmten Korpus von Wissen, den muss ich vermitteln - aber warum sollte ich die wertvolle Zeit im Seminar dafür vergeuden?' Also stellt sie ihre Vorlesung online und nutzt die Zeit in der Klasse ausschließlich für das, wozu sie ideal ist: Um Ideen zu teilen, mit jedem zu teilen, der da drin ist. Das heißt die Studenten konsumieren nicht mehr. Sie sind die Experten, sie sind unser kreativstes Gut. Und wir wollen was von denen!
Aber wir hören doch seit Jahrzehnten, dass wir uns gar nicht mehr im Seminar zu treffen brauchen, weil es Chat oder Videokonferenz gibt.
Nein, die Qualität des face-to-face-Gesprächs ist online oder technologisch noch nicht nachgemacht worden – bis heute jedenfalls nicht. Mal sehen, was noch kommt. Wir müssen den Seminarraum erst wieder neu verstehen. Die physische Realität von Angesicht zu Angesicht jetzt Ideen auszutauschen ist unvergleichlich.
lets talk about - frontloading
In unserer Twitterwolke rund um (neue) Schule und (modernes) Lernen kommt es immer wieder zu, nun ja, kleinen Scharmützeln,
ob und wie sinnvoll Frontalunterricht eigentlich noch ist.
@cervus hat zuletzt heute (Samstag, 6. Feb) eine witzige Bemerkung gemacht über @chrisimwebs diktum, medien seien gut, "um den frontalunterricht effizienter zu machen". (er hat das dann präzisiert, schaut seinen tweet an.)
(Siehe auch die frischen Kommentare hier im Blog. >>>)
Unter der Woche ging es um die Frage, ob man die Schulstruktur ODER den Unterricht ändern müsse. @mccab99 meinte, die Hamburger Debatte über vier oder sechs Jahre Grundschule sei nebensächlich. Pisaversteher fragte sich, wie man Schulstruktur und Lernstil denn voneinander trennen könne:
@mccab99 struktur ist keine hinreichende antwort auf neu lernen @ciffi sagt dazu: aber eine notwendige. solange studienräte abschulen können, ändern sie stil nicht
Mein Vorschlag wäre daher, dass man hier und mit Tweets diskutieren sollte. Vielleicht nehmen wir uns Michael Feltens "Auf die Lehrer kommt es an" als Vorlage. Es wird vom Verlag so angekündigt:
"Die Bildungsdebatte kreist zu sehr um Strukturfragen und Leistungsstandards. Schulerfolg und Chancengerechtigkeit sind aber vor allem eine Frage der Unterrichtsqualität. Angesichts veränderter Kindheiten erweisen sich steuernde Lehrformen der offenen Pädagogik als vielfach überlegen. Gefragt sind heute Führungsfreude, Methodenklarheit und Einfühlsamkeit. (...) Was ist effiziente Klassenführung?"
Ich habe schon mal reingesehen, und habe es jetzt @nklee68 zu rezension für die taz gegeben. Felten, der Lehrer in Köln ist, hat schon mal diesen text für die taz geschrieben. >>> Am Pult kann nur einer stehen
Ich will nicht zu viel vorlegen, aber ich finde: Dieses Buch, dieses Haltung hat im 21. Jahrhundert nichts mehr verloren. its over. Kann man wirklich heute noch so über Schule reden?
Einladung zur Diskussion.